verheiratet mit zwei Wohnsitzen...?

Christian @, Freitag, 26.05.2006 (vor 6568 Tagen) @ Yvonne Winkler

Hallo Yvonne,

Beispiele hinken, nehmen wir deswegen eine Parabel: Es gab einmal einen armen, alten Pensionär, der sich darüber ärgerte, dass er von seiner kärglichen Pension (B6) Einkommensteuern zahlen mussten, während die frischen, unverbrauchten Rentner von ihren horrenden Renten keinen Pfennig abgeben mussten. Das ist ungerecht, befand er und zog nach Karlsruhe. Dort fand er weise, ihm wohl gesonnene Richter, die ihm beipflichteten: Ja, das verstößt gegen Art 3 GG. Alle waren glücklich, und seit dieser Zeit zahlt in Deutschland kein Pensionär mehr Einkommensteuern. So einfach sind Beschlüsse des BVerfG umzusetzen.

Nun aber ernsthaft:

Nein, weil sie damals nur *auswärtige* Inhaber von Zweitwohnungen besteuerten, nicht aber die Ortsansässigen.

Hier muss ich widersprechen:
Klar, die Einheimischen wurden anfangs auch nicht besteuert, aber nicht nur die. In der ursprünglichen Satzung der Stadt Ü. wurden auch die ZW-Inhaber, die sich aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung in Ü. aufhielten, NICHT besteuert.
Deswegen schrieb BVerfG im Leitsatz:
„§§ 1 und 2 Abs. 2 der Satzung der Stadt Überlingen über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer vom 21. Januar 1976 sind mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig, weil sie ohne hinreichenden, sachlichen Grund nur auswärtige Zweitwohnungsinhaber, soweit sie nicht aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken in der Stadt wohnen, besteuern.“
Und im Tenor:
„Auch im Vergleich zu den auswärtigen Zweitwohnungsinhabern, die aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken eine Zweitwohnung im Gemeindegebiet innehaben, fehlt ein sachlicher Grund aus dem Wesen und Zweck der Zweitwohnungssteuer für die Beschränkung der Steuerpflicht auf den durch § 2 Abs. 2 der Satzung erfassten Personenkreis.“

Das bedeutet doch wohl: Hier fordert das BVerfG aus Gleichheitsgründen die Besteuerung von auswärtigen Zweitwohnungsinhabern, die sich aus beruflichen Gründen in Ü. aufhalten. Dabei waren mit Sicherheit auch Verheiratete, die nicht dauernd getrennt lebten. Was ist also passiert, wenn das BVerfG 2005 nun feststellt, dass Erwerbszweitwohnungen verheirateter, nicht dauernd getrennt lebender Personen von außerhalb der Gemeinde, nicht besteuert werden dürfen> Ist diese Aufwandsteuer plötzlich vom Personenstand, dem Zweck des Aufenthaltes und dem „Auswärtigsein“ des Inhabers abhängig> M.E. fordert das BVerfG auch 2005 die Besteuerung ALLER Zweitwohnungen - aber rechtlich einwandfrei, nach den Maßstäben von 1983 und dem Wesen einer Aufwandsteuer, weil sonst Art 3 GG droht. Für mich ist das eine klare Absage an die bisher geübte Praxis des "Anknüpfens an das Melderecht".

Was VG HALLE angeht: Warum der Ausflug nötig wurde, hatte ich mit viel Vergnügen gelesen (wäre auch gerne dabei gewesen). Beim Lesen blieben mir folgende Sätze in Erinnerung:

„Dass die Tenorierung [des BVerfG Beschlusses] nach ihrem Wortlaut enger gefasst ist, steht dem nicht entgegen. Die Einschränkung führt nämlich nicht dazu, die Satzungsregelungen teilweise aufrecht zu erhalten, sondern festzustellen, inwieweit der Verfassungsverstoß reicht. Damit wird zugleich klargestellt, welche Regelung der Satzungsgeber aufgrund seiner Bindung nicht erneut erlassen darf, wenn er sich entschließen sollte, erneut eine Zweitwohnungsteuersatzung zu erlassen.“

Für mich war damit klar, dass nach Auffassung VG die Stadt nicht wieder ans Melderecht anknüpfen darf - was die neue Hallenser (>) Satzung nun aber noch deutlicher tut. Kann natürlich ein Lese-/Interpretationsfehler meinerseits sein. Vielleicht auch deswegen, weil ich Melderecht und ZWSt in der bisherigen Form für unvereinbar halte(n will).

Übrigens: Der Satz: „Das glaube ich so nicht, denn die Parameter verheiratet (oder eingetragene Lebenspartnerschaft) und Erwerbszweitwohnung sind vom BVerfG als mit dem GG vereinbar angesehen worden“ erschließt sich mir immer noch nicht. Sind wir da jetzt einer oder gegenteiliger Meinung.

Kindergeburtstag ist vorbei. Danke.

Gruß


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