verheiratet mit zwei Wohnsitzen...?

Christian @, Freitag, 26.05.2006 (vor 6568 Tagen) @ Yvonne Winkler

» Hallo Christian,
»
» es kann aber doch nicht zweierlei Maß gelten, je nachdem ob die
» Zweitwohnungssteuer an das Melderecht anknüpft oder nicht, bezüglich der
» Rechtssprechung des BVerfGE. Das hieße ja, dass für alle anderen Satzungen
» erneut ein Urteil gefällt werden müsste. Anderenfalls bräuchten die Städte
» in den Satzungen nur mit ihrer Steuerpflicht nicht an das Melderecht
» anknüpfen und schon wäre das höchstrichterliche Urteil umgangen> Das kann
» nicht sein.

» meint
» Yvonne Winkler

Hallo Yvonne,

kurz in Stichworten. Der Beschluss wird nicht umgangen (mal 1983 lesen, das hat BVerfG ausdrücklich bestätigt). Beschlüsse des BVerfG sind nie einfach - lösen wir uns doch mal vom Leitsatz. Die funktionale Teilnichtigkeit der Satzungen D und H begründet BVerfG wie folgt:

"Die Verweisung in den Satzungen auf die melderechtlichen Regelungen über die Definition der "Hauptwohnung" bewirkt, dass verheiratete Personen anders als nicht Verheiratete zur Zweitwohnungsteuer für die von ihnen vorwiegend benutzte Wohnung herangezogen werden, soweit die Familie im Übrigen eine andere Wohnung vorwiegend nutzt. Die melderechtlichen Regelungen, die eigentlich auf Besonderheiten familiären Zusammenlebens Rücksicht nehmen wollen, wirken sich durch ihre Inbezugnahme in den Satzungen nunmehr als eine Benachteiligung Verheirateter aus. Während nicht verheiratete Personen keine Zweitwohnungsteuer für die vorwiegend benutzte Wohnung zu entrichten haben, können Verheiratete die Besteuerung nicht vermeiden, wenn die Familie, von der sie nicht dauernd getrennt leben, die andere Wohnung vorwiegend benutzt."

Wenig später formuliert BVerfG:

"Auch die Satzungsgeber könnten die bis zu einer Neuregelung fortbestehende verfassungswidrige Benachteiligung verheirateter Zweitwohnungsinhaber nur durch die rückwirkende Aufhebung der Zweitwohnungsteuerpflicht beseitigen."

Natürlich kann man nicht mit zweierlei Maß messen, aber man kann alles immer auf zwei Arten lesen. Und es kommt m.E. auf die Begründung an. Für mich bedeutet der Beschluß:

1. Alle Satzungen, die an das Melderecht anknüpfen sind immer noch (oder erneut)verfassungswidrig, weil sie jetzt die Aufwandsteuer nicht mehr "ohne Ansehen der Person und des Zweckes" erheben dürfen (das wäre genau so, als würde ein verh., nicht dauernd getrennt lebender "Berufspendler" nicht mehr zur Mineralölsteuer herangezogen werden dürfen) - diese Satzungen verstossen jetzt gegen Art 3 GG (hat BVerfG zwar nicht gesagt, ist aber so, und 1983 gilt weiter).

2. Das BVerfG fordert eine Neuregelung (die sonst bei funktionaler Teilnichtigkeit nicht erforderlich wäre) gerade wegen des o.a. Gleichheitsverstosses. Die "Überlinger-Satzungen" erfüllen diese Kriterien.

Dieses Problem hat das VG Halle m.E. erkannt und u.a. deswegen den kurzen Ausflug in das "Anknüpfen an das Melderecht" gemacht.

Aber so richtig deutlich ist das nicht und wird den Gerichten noch viel Arbeit verschaffen. Die meisten Satzungen, die auf das Melderecht abheben sind das, was sie schon immer waren: VERFASSUNGSWIDRIG (amtlich leider erst festgestellt 2005)! Da können die Stadtkämmerer so laut pfeifen, wie sie wollen - im Prinzip haben sie nur die Wahl zwischen Strick und Kugel.

Vielleicht sind das wieder nur Korinthen, aber der Leitsatz ist eines BVerfG-Beschlusses würdig. Nehmen wir doch nur den Zusatz "desen eheliche Wohnung sich nicht in der Gemeinde befindet". Sollte ein Dortmunder oder Hannoveraner mit Erwerbszweitwohnung in D oder H die Zweitwohnungsteuer zahlen, nur weil er Einheimischer ist. Der Satz von 1983 "Es darf jemand nicht deshalb zu einer höheren Steuer herangezogen werden, weil er kein Einheimischer ist" gilt doch wohl auch umgekehrt.

Das war es in ein paar Stichpunkten zu meinem Verständnis des BVerfG.

Mit freundlichen Grüßen

Christian


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